«Niemand ist zur Teilnahme verpflichtet»
Interview von Desirée Vogt, Liechtensteiner Vaterland
Herr Gstöhl, Anfang 2023 erhält jede krankenversicherte Person automatisch ein elektronisches Gesundheitsdossier. Wie ist der konkrete Stand der Umsetzung?
Peter Gstöhl: Ab Januar kann die Plattform nur von den in Liechtenstein krankenversicherten Personen genutzt werden. In einem ersten Schritt sind lediglich administrative Daten wie Name, Adresse und Geburtsdatum enthalten. Die Gesundheitsdienstleister (GDL) werden voraussichtlich im März 2023 Zugang zu den elektronischen Gesundheitsdossiers (eGD) erhalten.
Welche Daten werden dann konkret von wem gespeichert?
In Zukunft werden behandlungsrelevante Gesundheitsdaten einer krankenversicherten Person im elektronischen Gesundheitsdossier gespeichert. Dazu gehören zum Beispiel Arztberichte, Medikationen oder Laborbefunde. Die Gesundheitsdienstleister sind ab Juli 2023 verpflichtet, die Daten der Patientinnen und Patienten im elektronischen Dossier abzulegen. Zu den Gesundheitsdienstleistern gehören Ärzte, das Liechtensteinische Landesspital, die Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe, Apotheker, Chiropraktiker, Zahnärzte sowie andere Einrichtungen im Gesundheitswesen im Sinne des Gesundheitsgeset-zes. Nach dem Gesetz erhält jede in Liechtenstein krankenversicherte Person ab Januar 2023 automatisch ein elektronisches Gesundheitsdossier. Dort haben die krankenversicherten Personen das Recht, Zugriffsberechtigungen festzulegen, Gesundheitsdaten und genetische Daten auszublenden oder zu löschen sowie Auskünfte über die gespeicherten Daten und Protokolldaten zu erhalten.
Wie und wann werden die Patienten darüber informiert, was sie tun müssen?
Informiert wird die gesamte Bevölkerung über die Medien, aber auch mittels einer Information an alle Haushalte. Darin werden alle wichtigen Informationen über das eGD enthalten sein. Krankenversicherte Personen ohne Adresse in Liechtenstein werden separat informiert. Weiterführende Erklärungen und Informationen sind bereits seit einiger Zeit auf der Webseite www.serviceportal.li gesundheitsdossier ersichtlich und werden über die nächsten Wochen weiter ergänzt, beispielsweise mit Erklärvideos und Anleitungen zur Nutzung des eGD sowie mit häufigen Fragen und Antworten. Eine Hotline des Amtes für Gesundheit wird ab Januar 2023 ebenfalls bei Fragen oder Unklarheiten zur Verfügung stehen.
Ab Juli 2023 sind Gesundheitsdienstleister dann dazu verpflichtet, die Daten der Patienten in diesem Dossier abzulegen. Was geschieht in der Übergangsphase von Januar bis Juli?
Im Januar werden vorerst nur krankenversicherte Personen Zugriff auf ihr eGD erhalten, welches jedoch noch keine Gesundheitsdaten enthalten wird. Voraussichtlich im März werden die Gesundheitsdienstleister dann Zugang erhalten und können ab diesem Zeitpunkt Gesundheitsdaten im eGD ablegen. Sofern Patienten nicht wollen, dass in ihrem elektronischen Dossier Daten gespeichert werden, so haben sie folglich Anfang 2023 genügend Zeit, Widerspruch einzulegen. Da die Gesundheitsdienstleister ab 1. Juli 2023 verpflichtet sein werden, Gesundheitsdaten im eGD abzulegen – sofern kein Widerspruch vorliegt –, obliegt es ihnen, ob sie bereits früher damit beginnen, um entsprechende Abläufe und Prozesse frühzeitig einrichten zu können.
Als Patient habe ich also die Datenhoheit und kann über die Ablage meiner Daten selbst entscheiden. Was muss ich ab Januar konkret tun, wenn ich nicht möchte, dass meine Daten elektronisch für alle zugänglich sind?
Wie bereits erwähnt: Patienten können ihre Rechte wie das Einlegen eines Widerspruchs sowie das Ausblenden oder Löschen einzelner Gesundheitsunterlagen jederzeit eigenständig wahrnehmen. Hierzu gibt es zwei Wege: Einerseits kann jede Person über eine gesicherte Internetverbindung auf das eigene eGD zugreifen und alle ihre Rechte selbstständig online wahrnehmen, also beispielsweise einen Gesundheitsdienstleister freischalten oder wiederum sperren oder gar einen Widerspruch einlegen. Dazu ist ganz wichtig zu betonen: Voraussetzung für den Zugriff auf das eigene elektronische Gesundheitsdossier ist der Besitz einer eID, einer digitalen Identität des Fürstentums Liechtenstein. Nur mit einer eigenen eID ist es möglich, sein Gesundheitsdossier selbstständig zu bewirtschaften. Bekannt und verbreitet wurde die eID durch die Covid-Zertifikate. Personen, welche noch über keine eID verfügen, jedoch von den Vorteilen des eGD profitieren wollen, erhalten diese durch persönliche Vorsprache beim Ausländer- und Passamt in Vaduz. Der Internetlink, über welchen ein gesicherter Zugang auf das elektronische Gesundheitsdossier möglich ist, wird rechtzeitig bekannt gegeben. Andererseits können alle Rechte auch über das Amt für Gesundheit wahrgenommen werden. Hierzu werden auf der Webseite des Amtes für Gesundheit ab Januar 2023 entsprechende Antragsformulare aufgeschaltet werden. Die Freischaltung des Zugriffs für einzelne Gesundheitsdienstleister kann über das elektronische Dossier aber auch vor Ort im Rahmen einer Behandlung, und zwar mittels eID oder einer schriftlichen Zustimmungserklärung, erfolgen.
Welche «Nachteile» erleide ich, wenn ich mich gegen das elektronische Gesundheitsdossier entscheide?
Jede in Liechtenstein krankenversicherte Person kann frei entscheiden, ob sie die Vorteile für sich nutzen möchte oder nicht. Der grosse Vorteil besteht darin, dass gesundheitsrelevante Daten und Informationen gesichert abgelegt sind und nicht mehr verloren gehen können. Damit kann jede Patientin und jeder Patient selbst zur Erhöhung der eigenen Versorgungssicherheit einen wichtigen Beitrag leisten. Niemand ist also zur Teilnahme am elektronischen Gesundheitsdossier verpflichtet. Im Falle eines Widerspruches entstehen der betreffenden Person keine Nachteile hinsichtlich des Zugangs zur medizinischen Versorgung.
Wie gut sind meine Daten wirklich vor einem Hackerangriff gesichert?
Bezüglich Datensicherheit werden die modernsten Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die höchsten Anforderungen an den Datenschutz sicherzustellen. Alle Daten liegen verschlüsselt in Hochsicherheitsdatencentern in der Schweiz. Und alle Datenübertragungen sind zudem beim Transport verschlüsselt. In Bezug auf den Datenschutz erfüllt die eGD-Lösung die DSGVO-Kriterien.
In Liechtenstein wird die eHealth-Plattform von Siemens Healthineers eingesetzt. Ist diese Lösung kompatibel mit jener der umliegenden Länder?
Ja, denn die Lösung von Siemens Healthineers wird beispielsweise auch in Österreich eingesetzt, bekannt unter dem Namen Elga – elektronische Gesundheitsakte –, oder in der Schweiz im Zusammenhang mit dem elektronischen Patientendossier über die Post AG vertrieben. Die Basis ist überall dieselbe, aber natürlich wurden länderspezifische Anpassungen vorgenommen. Eine Kompatibilität ist aber sichergestellt, insbesondere auch, weil die Siemens-Lösung alle in diesem Bereich relevanten internationalen Standards erfüllt.
Wie viel kostet die Umsetzung dieses Projektes? Werden Kosten auf den Patienten überwälzt?
Der Staat trägt die Kosten für den Aufbau und die Weiterentwicklung des elektronischen Gesundheitsdossiers sowie die Betriebskosten der eHealth-Plattform. Der Investitionsaufwand beträgt knapp 1 Mio. Franken, es werden auch laufende Kosten für den Betrieb und die Weiterentwicklung anfallen. Dazu kommen Personalressourcen im Amt für Gesundheit von weniger als einer Vollzeitstelle. Der Staat stellt den Gesundheitsdienstleistern kostenfrei eine Plattform zur Verfügung. Für optionale Schnittstellen direkt in die eigenen IT-Systeme können zusätzliche Kosten entstehen, welche von Seiten der Gesundheitsdienstleister selbst zu tragen sind. Für Patienten entstehen für die Nutzung keine Kosten.

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